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SYRIEN 2: 04.03. - 01.04.2004Route: Deraa, Damaskus, Palmyra, Homs, Tartus, Latakia, Aleppo, Al
Raqqa, Deir Ez Zor, Al Hasakeh Distanz: 1786 Km
Höhenmeter: 5995m Vorwort: Wir fühlen uns so wohl, daß wir unser Visum verlängern!
Damascus und Aleppo sind Staedte mit dem Zauber von Tausend und einer
Nacht. Das Land ist für Radreisende wie geschaffen: keine schlimmen Berge,
viel Kultur zum besichtigen und übersdurchschnittlich nette und hilfsbereite
Menschen. Für "Ägyptengeschädigte" dringend zur Erholung empfohlen!!! Wir hatten gerade mal die ersten Kilometer in
Syrien zurückgelegt, als plötzlich auf der Landstraße ein Kleinbus anhielt.
Ein junger Mann sprang aus dem vollbesetztem Bus und lud uns spontan ein,
bei Ihm und seiner Familie zu übernachten. Da der Busfahrer weiterfahren
wollte verabredeten wir, daß er in seinem Ort an der Straße auf uns warten
würde. Im nächsten Dorf war dann ein paar Kindern etwas zu langweilig,
und so entschied sich ein Junge mir eine Tomate in den Rücken zu werfen.
Von diesem für Syrien völlig untypischen Verhalten leicht verärgert hielt
ich sofort an, um die Sache zu klären. Der Junge ergriff sofort die Flucht
und verschwand in einem offenen Garagentor, das er hinter sich schloss.
Also fragte ich seine Freunde (oder Geschwister), die unbeteiligt das
Ganze beobachteten, ob dem Vater des Jungen der neben der Garage liegenden
Laden gehörte, doch sie sprachen leider kein Englisch. Nun kam ein Erwachsener
hinzu und nachdem er von den Kindern erfahren hatte, was passiert war,
klopfte er an ein Hoftor neben dem Laden. Anscheinend war hier der Junge
zu Hause. Ein Mann öffnete die Türe und nachdem die Geschichte abermals
erzählt wurde, begrüßte er mich freundlich mit dem Brudergruß und bestand
darauf, daß wir zumindest auf eine Tasse Tee mitkommen sollten. Er wollte
mich gar nicht mehr loslassen, und so brachten die Kinder der Familie
mein Fahrrad in den Innenhof. Nun ging es in das Wohnzimmer der Familie.
Wir hatten uns gerade gemütlich niedergelassen, da wurde Nadine auch schon
gebeten, einem der Männer doch in den Aufenthaltsraum der Frauen zu folgen,
da es hier üblich ist, daß man unter "seinesgleichen" zusammensitzt.
So wurden wir getrennt voneinander mit Tee und Orangen bewirtet. Das Einzige
Familiemitglied, das Englisch sprach war kurz zuvor am Bauch operiert
worden und so lag er über uns thronend auf dem Bett, während er sich mit
mir unterhielt. Etwas verwirrend fand ich lediglich, daß er mir zwar erklärte,
daß er die Amerikaner hassen würde, dennoch aber ein T-Shirt mit amerikanischer
Flagge und der Aufschrift: "Operation DESSERT STORM - I was there" trug
(Das T-Shirt der Amerikaner zum Irakkrieg). Nach knapp einer Stunde gelang
es mir dann ihnen zu erklären, daß wir nun wirklich weiter müssten und
leider nicht übernachten könnten. Nadine war gerade wieder geholt worden,
da überraschten sie uns noch mit einem Abendessen, das sie auf die Schnelle
für uns gezaubert hatten. Nachdem wir das wirklich köstliche Mahl verzehrt
hatten bedankten wir uns ganz herzlich für die unerwartete Gastfreundschaft
und machten uns wieder auf den Weg. Eigentlich hatten wir uns mit dem
jungen Mann aus dem Bus für in einer halben Stunde verabredet, doch durch
den "Tomatenangriff" waren bereits knapp 2 Stunden vergangen. Anscheinend
war er mittlerweile enttäuscht nach Hause gegangen und uns tat es mindestens
genauso Leid, daß wir ihn nicht mehr getroffen haben. Doch mit der unerwarteten
Einladung nach dem "Tomatenangriff" hatten wir nicht gerechnet, und wir
hätten ihnen auch nicht erklären können, daß wir nur deshalb nicht bleiben
können, weil uns jemand eingeladen hat, dessen Namen wir weder kannten
noch von dem wir genau wußten, wo er wohnt. So verbrachten wir also die
Nacht trotz zweier Einladungen ungewollter weise wieder im Zelt. Nachdem wir bei unserem ersten Syrienbesuch nur durch Damaskus
durchgefahren waren, statteten wir nun der syrischen Hauptstadt einen
längeren Besuch ab. Im Gegensatz zu Kairo und Amman ist Damaskus aber
eher eine gemütliche Hauptstadt. Vor allem auf dem Basar wird gemütlich
gehandelt und man kann sich als Tourist in aller Ruhe umsehen, ohne alle
paar Meter angesprochen zu werden. Besonders faszinierend fanden wir den
Basar, der in Damaskus größtenteils durch überdachte Straßen führt. Durch
die vielen kleinen Löcher im Dach funkelt bei Tag das Sonnenlicht und
so wirkt es wie ein kleiner Sternenhimmel. Sehenswert fanden wir auch
das Nationalmuseum. Im Gegensatz zum Ägyptischen Museum in Kairo haben
sie hier zwar weniger faszinierendere Ausstellungsstücke, dafür hat man
sich aber sehr viel Mühe gemacht, sie zu präsentieren. Sehenswert waren
neben einer kleinen Tafel mit dem ältesten Alphabet und einigen sehr schönen
alten Mosaiken insbesondere ein rund 2000 Jahre alter Saal, der komplett
mit bemaltem Holz getäfelt ist. Ansonsten nutzten wir unsere Zeit um unsere Internetseite umzubauen. Bis jetzt hatten wir unsere Wochenberichte immer auf einer Seite über mehrere Monate gesammelt, so daß es nahezu unmöglich war, unsere Erfahrungen, die wir in einem Land gemacht hatten, nochmal zu lesen ohne ewig suchen zu müssen. Nun fingen wir also an, unsere Berichte zu Länderberichten zusammenzustellen und je einzeln auf einer Seite zu veröffentlichen. Übrigens haben wir in Damaskus unseren alten Bekannten Tim wiedergetroffen und wieder einige nette Abende mit ihm verbracht. Denke, daß es nun aber das Letzte mal sein wird, da Tim Anfang April in Suez auf ein Segelboot steigen wird und einen Bekannten damit bis nach Hong Kong begleiten wird. Zurück nach London will er dann mit der Transasiatischen Eisenbahn (habe noch nie davon gehört). Wünschen ihm viel Spaß und viel Glück dabei.
Im Dmeir, unser Toilettenpapier war uns wieder
einmal ausgegangen, versuchten wir Nachschub zu bekommen. Um den Einkauf
einfacher zu gestalten nahm ich unser kleines "Ohne Wörter Wörterbuch"
(ein Wörterbuch, in dem sehr viele Gegenstände und Tätigkeiten abgebildet
sind) zur Hilfe. Ich zeigte dem Ladenbesitzer also das Bild von einer
Klopapierrolle. Anscheinend hatte er so etwas noch nie gesehen und so
beriet er sich mit einem seiner Kunden eingehend darüber, was das wohl
sein könnte. Ich zeigte ihnen zwar auch noch das Bild einer Toilette,
doch letztendlich befanden sie, daß es wohl ein Knäuel weißer Schnur sei,
wonach ich suchte. Nachdem sie anscheinend kein Klopapier hatten bedankte
ich mich für ihre Hilfe und ging auf ihr Anraten hin in die benachbarte
Apotheke. Auch die Apothekerin war mit der Frage nach Toilettenpapier
anscheinend überfragt, da sie mir daraufhin Mullbinden und Leukoplast
anbot. Auch hier war keine Lösung unseres Problems zu erwarten, und so
gingen wir in den nächsten Laden und kauften einfach eine Packung Papiertücher,
eine Mischung aus Taschentüchern und Servietten. Nachdem es drei Tage lang durch die syrische Steppe ging, erreichten wir die Oase Palmyra. Die Ruinen von Palmyra erinnern als stille Zeugen an eine Glanzvolle Zeit vor 2000 Jahren. In den ersten drei Jahrhunderten n. Chr. war das blühende Königreich ein zentraler Schnittpunkt der Handelskarawanen, die über die berühmte Seidenstraße ans Mittelmeer zogen. Besonders bekannt war die Königin Zenobia. Heute sind von der ehemaligen Pracht noch einige Tempel, Gräber, eine Säulenallee, ein Amphitheater und eine Burg erhalten.
Gastfreundschaft wird in Syrien groß geschrieben und so vergeht kaum ein Tag, an dem wir nicht zumindest zum Tee eingeladen werden. Meist wird aus dem Tee dann aber doch etwas mehr, so wie in Kneifis. Wir hatten gerade etwas Zucker und Brot eingekauft, als ein Mann mit seinem Moped vorbeikam und uns zu einem Tee einlud. Gerne nahmen wir die Einladung an und folgten dem Mann bis zu seinem Haus. So saßen wir dann ein paar Minuten später wieder in einem der zwar spartanisch eingerichteten aber sehr gemütlichen arabischen Wohnzimmer. Meist findet sich in den Wohnzimmern lediglich ein Teppich auf dem Boden, Sitzpolster samt Armstützen, die an der Wand entlang im ganzen Raum ausgelegt sind und ein Ofen in der Mitte des Raumes (manchmal gibt es auch einen Fernseher oder einen kleinen Schrank). Da wir uns nicht zu sehr aufdrängen wollten lehnten wir eine Einladung zum Essen jedoch ab. Anscheinend nicht entschieden genug, denn gleichzeitig mit dem Tee kam ein ganzes Tablett voll Speisen. Angefangen von Salat über Joghurt, Spagetti, Bohnengemüse, Paprika und Brot gab es fast alles was das Herz begehrte. Also blieb uns nichts anderes übrig, als gemeinsam mit den Eltern zu speisen, während die Kinder noch warten mußten. Erst als wir mit dem Essen fertig waren durften die Kinder in der Küche essen, und wir bekamen den eigentlich angebotenen Tee. Um uns zu bedanken machten wir ein Photo, der sehr netten Familie und baten sie uns doch ihre Adresse zu geben, damit wir ihnen das Bild schicken könnten. Vermutlich wird das Bild jedoch nie ankommen, da wir das Gefühl haben, daß sie uns nicht viel mehr als ihren Namen aufgeschrieben haben. Für eine vollständige Adresse mit Ort und Straße waren die aufgeschriebenen arabischen Worte einfach viel zu kurz. Zum Abschluß durfte sich Nadine noch in das Poesiealbum einer der Töchter eintragen, bevor es frisch gestärkt wieder auf die Straße ging.
Neben den Ruinen, die immer noch die Zeit der
römischen Besatzung bezeugen, haben auch die Kreuzritter ihre Zeugnisse
in Syrien hinterlassen. Unter den vielen noch erhalten Kreuzritterburgen
ist die "Crak des Chavalliers" sicherlich die bekannteste. Da wir gerade
auf dem Weg zum Meer waren, machten wir den kleinen Abstecher (13 Km und
500 Hm) um die Burg zu besichtigen. Wir arbeiteten uns mühsam den steilen
Berg hoch, wobei Nadine mehrmals verkündet, daß sie ab nun keine Sehenswürdigkeiten
mehr besichtigen wird. Die Verkäufer der obligatorischen Souvenirartikel
waren leider etwas zwielicht, so daß wir uns entschieden, die Fahrräder
nicht unbewacht stehen zu lassen und die Burg nacheinander zu besichtigen.
Die Burg selbst ist absolut sehenswert und besteht aus einer äußeren und
einer inneren Burg. Während die einzelnen Räume und Hallen nahezu nicht
restauriert sind, sind die Außenmauern in einem beeindruckendem Zustand.
Die Pyramiden oder Petra zu erbauen ist an sich schon einen bewundernswerte
Sachen, aber noch viel beeindruckender finde ich die imposanten Bauwerke
der Kreuzritter und Römer. Anders, als die Ägypter und Nabatäer, die ihre
Monumente in ihrer Heimat gebaut haben, haben letztere ihre Amphitheater,
Städte und Burgen am "anderen Ende der Welt" errichtet. Für mich ist das
fast so als würde heute jemand das Empire State Building am Südpol oder
auf dem Mond errichten. An der Küste hatten wir dann das Gefühl, auf einmal in einem anderen
Syrien zu sein. Bereits ab Homs gab es statt Schafen fast nur noch Kühe,
die friedlich auf den Wiesen des hügeligen Landes weideten. Die
Steppe und die riesigen Weizenfelder waren einem Gemüseanbaugebiet mit
zahlreichen Gewächshäusern mit reifen Tomaten und Erdbeeren gewichen.
Die Frauen trugen nahezu keine Kopftücher mehr, die Falaffel wurden kleiner
und die Internetverbindungen waren grottenschlecht (Wir konnten nicht
einmal mehr unser Emailaccount öffnen!). Obwohl die syrische Küste sehr dicht besiedelt
ist, hatten wir nie ernsthaft Probleme einen Zeltplatz zu finden. Die
erste Nacht schlugen wir unser Zelt neben einer vollkommen intakten aber
ungenutzten Villa direkt am Meer auf. Die zweite Nacht fanden wir dann
eine wunderschöne Bucht. Zunächst kamen ein paar Fischer, die uns erklärten,
nachdem wir die Einladung bei Ihnen zu übernachten abgelehnt hatten, daß
wir hier keine Angst haben müssten, da das Haus auf dem Hügel nebenan
eine Polizeistation sei. Später kamen dann auch noch zwei Polizisten,
die uns einluden in die Polizeistation zu Essen und zum Trinken zu kommen.
Unsere selbstgekochte Nudelsuppe gerade fertig, als wieder zwei Polizisten
kamen. Wir vermuteten, daß sie nur etwas neugierig waren und nachdem sie
sich wieder ein paar Meter in die Dunkelheit der Nacht entfernt hatten,
schlossen wir das Zelt und begannen zu Essen. Um eine weitere Störung
zu verhindern schlürften wir unsere Suppe besonders laut (machen die Araber
auch so). Der Trick funktionierte, und obwohl de Polizisten draußen noch
nach einem Kollegen riefen, konnten wir völlig unbehelligt essen. Wir
waren gerade mit dem Essen fertig, da klopfte es wieder an unser Zelt.
Nun kam ein Polizist der uns erklärte, daß wir hier nicht übernachten
könnten. Er deutete immer auf sein Funkgerät und wollte uns so vermutlich
erklären, daß er die Anweisung bekommen hatte uns zu sagen, daß wir abbauen
müssten. Da er nur arabisch sprach stellten wir uns erstmal ganz dumm
und taten so, als würden wir ihn nicht verstehen. Wir erklärten
ihm, daß wir Touristen aus Deutschland seien. Auf Nadines Wink mit dem
Zaunpfahl wollte er dann unsere Ausweise sehen. Da er die Ausweise natürlich
nicht lesen konnte erklärte er uns, daß er um 8:00 Uhr (ob am Abend oder
am Morgen war uns nicht klar) wieder zurückkommen werde und verschwand
in der Nacht. Nachdem um 8:00 Uhr von dem Polizisten weit und breit keine
Spur zu sehen war, legten wir uns schlafen. Gegen 23:00 Uhr klopfte es
dann wieder an unser Zelt. Zwei Polizisten streckten mir unsere Reisepässe
entgegen und ohne ein weiteres Wort ließen sie uns alleine. Am nächsten
Morgen war von den Polizisten ebenfalls weit und breit keine Spur zu sehen. Am Tag vor unserer Ankunft in Aleppo lagen wir sehr gut in
der Zeit, und da ich mir etwas den Magen verdorben hatte beschlossen wir
bereits am späten Nachmittag unser Zelt aufzuschlagen. Wir fanden direkt
neben der Autobahn ein nahezu verfallenes Grundstück mit einer großen
Wiese. Bis kurz vor Sonnenuntergang verbrachten wir die Zeit damit Karten
zu spielen und uns zu entspannen. Nadine war gerade dabei einen Pudding
zu kochen als plötzlich jemand uns zurief. Nachdem wir erst nicht reagierten
(wir konnten auch niemanden sehen) kam nach einigen Minuten ein sehr aufgeregter
Mann mit seinen Freunden, allesamt im Anzug, zu uns. Aufgebracht erklärte
er uns, daß er der Eigentümer des Grundstückes sei, und warum wir ihn
nicht gefragt hätten bevor wir es betreten hätten. Gerne hätten wir gefragt,
doch leider gab es an dem brach liegenden Grundstück weder eine Klingel
oder ein Türschild noch irgend einen Hinweis darauf, daß es überhaupt
einen Eigentümer gibt. Der Eigentümer, übrigens kein Araber sonder asiatischer
Abstammung, erklärte uns, daß wir hier leider nicht bleiben könnten. Die
Regierung würde das nicht wollen. Da wir nun aber bereits seit knapp 4
Wochen in Syrien wild zelten, konnten wir dieses Argument schnell entkräften.
Nun meinte er, er kam extra um das Grundstück abzusperren, und daher müssten
wir jetzt gehen. Seine arabischen Freunde, von der Sache leicht belustigt,
meinten zu mir, daß wir ruhig bleiben könnten und luden uns sogar zu sich
nach Hause ein. Der Besitzer zeigte mir dann, daß wir ja direkt vor der
Türe, und etwa 20m neben der Autobahn, unser Zelt aufschlagen könnten.
Wir hatten keine große Lust auf irgendwelche Diskussionen, und so bauten
wir unser Zelt ab um es dann jedoch auf der Rückseite des Grundstückes
wieder aufzubauen (etwas leiser als direkt neben der Autobahn). Zwischenzeitlich
war der Besitzer ständig wild am telefonieren und erwähnte mehrmals die
"Deutschen Radfahren". Vermutlich hatte er bereits die Polizei verständigt,
die er nun wieder "abbestellen" wollte. Das Tor hat er natürlich nicht
abgesperrt, sondern nur zugezogen. Nach unserem Eindruck hatte der neureiche
Eigentümer das Grundstück erst ganz frisch erworben und kam nun, um seinen
wirklich reichen Freunden stolz seinen Besitz zu zeigen. Während seine
Freunde mit einem großen, neuen Merzedes vorgefahren kamen, hatte er das
Merzedesimitat von Skoda (zum verwechseln ähnlich), den er bei dem Versuch
zu wenden sogar noch kurz auf einem kleinen Sandhaufen aufsetze. Nach
knapp 10 Monaten war es nun also das Erste Mal, daß wir unseren Zeltplatz
wieder räumen mußten. In diesem Fall aber nicht weiter tragisch, da wir
ja direkt hinter dem Grundstück am Ackerrand unser Zelt wieder aufbauen
konnten. Von den noch vorbeikommenden Landwirten hat uns übrigens keiner
fortgejagt! In Aleppo hatten wir bei unserer Hotelsuche nun
zum ersten Mal keinen Reiseführer. So landeten wir in einem Hotel in dem
außer uns nur syrische Männer zu Gast waren. Vermutlich wohnten einige
sogar hier. Die Eigentümer und der Mann an der Rezeption waren sehr glücklich
darüber, uns als Gäste begrüßen zu dürfen. Bei nahezu jeder Gelegenheit,
bei der wir unser Zimmer verließen, wurden wir auf eine Tasse Tee eingeladen!
Aleppo ist die zweit größte Stadt in Syrien, und so wie uns schien, der
Wohnsitz der wohlhabenderen Syrer; alles war etwas teuerer als in Damaskus.
Besonders fasziniert waren wir von dem Basar. Während der Basar in Damaskus
nur mit einer Blechkuppel überdacht ist, führt der Basar in Aleppo kilometerlang
durch vollkommen zugemauerte Gänge. Hin und wieder kommen dann ein paar
Sonnenstrahlen in das Halbdunkel, so daß durch das Spiel von Licht und
Schatten tolle Stimmungen entstehen. In den unzähligen kleinen Läden auf
dem Basar gibt es natürlich wieder Alles, was das Herz begehrt. Auch hier
sind alle Läden mit einer "Warengruppe" überwiegend in einer Gegend angesiedelt.
So gibt es einen Bereich für die Tuchhändler, einen für die Eisenwarenhändler,
einen für die Metzger (besonders lecker, da hier alles von der Ziegenleber
bis zum Schafkopf direkt an der Gasse hängt). Das Marktreiben selbst verläuft
sehr ruhig und man kann in aller Ruhe bummeln. Bis jetzt der mit Abstand
schönste Basar, den wir gesehen haben. Große Teile von Syrien bestehen aus Steppe, die
von Nomaden für Ihre Schafherden genutzt werden. Mehrmals täglich begegneten
wir daher Schafhirten, die mit ihren Herden durch das Land zogen. Anders
als bei uns, wo der Schäfer mittlerweile vermutlich gemütlich in seinem
von der Klimaanlage geheizten VW-Bus sitzt, während die Hunde draußen
die Arbeit verrichten, sind die Schäfer hier richtig gefordert. Bereits
in der Morgendämmerung ziehen sie mit ihrem Esel und den Herden los, verbringen
den ganzen Tag im Freien, und kehren erst nach Einbruch der Nacht wieder
in Ihre Zelte zurück. Die Hunde die sie dabei haben sind vermutlich außer
zur Abschreckung von Fahrradfahrern (eventuell auch Wölfe) nicht weiter
ausgebildet und so versuchen die Schäfer mit allerlei eigentümlichen Ruf-
und Pfeifflauten ihre Herde zu leiten. Nadine hat zwar auch mal versucht
die Rufe nachzuahmen, doch die Schafe ließen sich davon nicht weiter beeindrucken.
Meist liegen die Schäfer aber am Boden, beobachten ihre Schafe und beten
(haben Gebetskette mit dabei). Damit sie dabei aber nicht erfrieren haben
sie einen speziellen Umhang. Er ist etwas weiter geschnitten als ein Mantel,
so daß man die Arme entweder in die Ärmel stecken oder aber auch
direkt an den Körper nehmen kann. Auch zum Sitzen ist der Mantel sehr
gut geeignet. Ich erinnerte mich daran, daß ich am Lagerfeuer immer einen
kalten Rücken habe und so versuchten wir einen solchen Mantel zu erstehen.
Zufällig entdeckten wir den Bereich auf dem Basar in dem die Händler die
Mäntel (Siriah) hatten. Am ersten Abend bummelten wir nur durch, ließen
uns die verschiedenen Mäntel zeigen und versuchten den Preis auszukundschaften.
Am nächsten Nachmittag ging es dann zum Einkauf. Es folgte eine lange
und zähe Verhandlung (etwa 1,5 Std.) und schließlich bekam ich für den
von mit gesetzten Preis und ein Photo von uns einen Hirtenmantel mit einem
kompletten Innenfutter aus Schaffell. Jetzt können die Lagerfeuernächte
kommen! Einziger kleiner Nachtei: der Mantel wiegt einige Kilo und die
haben wir die nächsten 2 Wochen erstmal mit dabei.
Während wir ihn Aleppo waren wurde der Gründer der Untergrundorganisation
Hamas, Scheich Jassin, entgegen den Bestimmungen der Kriegsvölkerrechtes,
von israelischen Soldaten mit Kampfhubschraubern ermordet. Die Ermordung
an sich ist ja schon schlimm genug, aber daß die USA mit ihrem Veto im
Sicherheitsrat die Verurteilung der Tat durch die UN zum Fall gebracht
haben, setzt dem ganzen noch die Krone auf. Wir sind jetzt nun seit knapp
4 Monaten in der arabischen Welt und haben mit den Menschen hier nur die
allerbesten Erfahrungen gemacht. Die Gastfreundschaft und die Herzlichkeit
der Menschen hier (insbesondere in Syrien) läßt sich mit Worten wirklich
nur sehr schwer beschreiben. Umso verwunderlicher, daß uns die Propaganda
der USA seit Jahren einzureden versucht, wie gefährlich und unmenschlich
die Araber seien. Sehr interessant finden wir die Tatsache, daß Israel
alle seine Nachbarländer angegriffen hat um sei Staatsgebiet zu vergrößern,
nicht aber als gefährlicher Staat erkannt und durch die UN in seine Schranken
gewiesen wird. Noch erstaunlicher ist es, daß die USA dann noch die von
Israel unterdrückte Volksgruppe der Palästinenser und alle die sie unterstützen,
erfolgreich in der Weltöffentlichkeit verteufelt. Sicherlich haben die
Palästinenser bei ihrer Gegenwehr ebenfalls den falschen Weg eingeschlagen,
aber der Hauptaggressor war und ist immer noch Israel. Obwohl Syrien im
Nahostkonflikt ebenfalls sehr stark engagiert ist, fühlen wir uns hier
sehr sicher. Die Menschen sind, dank Satelitenfernsehen, alle sehr gut
und keineswegs einseitig über die politische Situation informiert. Immer
wieder erstaunt sind wir, wenn sie sogar die Namen unseres Bundeskanzlers
und unseres Außenministers kennen (ob das der Durchschnittsamerikaner
auch weiß?)! Völlig unverständlich ist uns, daß sich eine Institution
wie die UN von einer einzigen Nation jahrzehntelang so zum Narren halten
lässt. Nicht nur, daß es die UN akzeptiert, daß eine Nation entgegen einer
UN Resolution einen Angriffskrieg anzettelt für den sie der Weltöffentlichkeit
noch immer die Beweise schuldig ist, sondern sich auch noch verbieten
läßt, geschehenes Unrecht zu verurteilen! Wir können nur hoffen, daß sich
ein geeintes Europa in Zukunft auch über einheitliche außenpolitische
Ziele verständigen kann und dann dem Ganzen ein friedliches Ende setzt!
Ebenso hoffen wir, daß sich die amerikanische Bevölkerung bei den nächsten
Wahlen für einen Präsidenten entscheidet, der sich an den Prinzipien von
Demokratie und Menschlichkeit orientiert! Wir möchten jeden inständig
bitten, doch einmal Urlaub in Syrien oder Jordanien zu machen, um sich
selbst von der Freundlichkeit und Herzlichkeit der Araber zu überzeugen,
statt blind dem von Selbstgefälligkeit und der Gier nach Öl geprägten
Bild, das uns die Regierung der USA zu vermitteln versucht, zu folgen!
Friede sei mit dir (der arabisch Gruß) ... In Al Raqqa wollten wir uns wieder einmal nach
einem Internetcafe umsehen. Bereits vor den Toren der Stadt wurden wir
von einem Englischlehrer auf seinem Moped abgefangen, der uns zu sich
nach Hause einlud. Er war gerade dabei seinen Computer hochzufahren, als
ein Stromausfall die Hilfe vereitelte. So wurden wir bei einer netten
Unterhaltung "lediglich" mit Tee und Äpfeln verwöhnt. Ausgestattet
mit einer Skizze zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt machten wir uns nach
1,5 Stunden dann wieder auf den Weg. Wir besichtigten zuerst das Bab Baghdad
(Baghdadtor) und die Überreste der alten Stadtmauer, bevor wir uns wieder
auf die Suche nach dem begehrten Internetcafe machten. Es war wieder einmal
Freitag und da nahezu alle Läden geschlossen waren fragten wir ein paar
Jugendliche. Nachdem sie eine Weile beraten hatten und gerade zu dem Entschluß
kamen, daß heute wohl alle geschlossen wären, meinte einer der Jungs,
daß wir doch oben im Büro seines Vaters den Computer nutzen könnten. So
landeten wir in dem sehr luxuriösen Büro seines Vaters, offenbar ein wohlhabender
Geschäftsmann. Mehrmals wurde uns auch angeboten, daß wir anstatt eine
Email zu schicken auch gerne nach Deutschland telefonieren können. Leider
gelang es ihnen aber nicht eine Verbindung herzustellen und so wurden
unsere Fahrräder kurzerhand in das Büro und wir in ein Auto verfrachtet.
Nun fuhr der Sohn des Geschäftsmannes mit uns zu einem seiner Freunde
(er studiert in Rußland), von dem er wußte, daß er einen Internetanschluß
hatte. Völlig unerwartet landeten wir in einer ebenfalls sehr luxuriös
ausgestatteten Wohnung. Leider war das Modem gerade kaputt gegangen, so
daß wir auch hier keinen Erfolg hatten. Nun klapperte er mit uns alle
Internetcafes der Stadt ab und fand schließlich eines, das geöffnet hatte.
Wir wurden mit Tee versorgt und konnten an einem Rechner unseren Email
versenden. Leider hatte unser Helfer aber nur sehr wenig zeit, so daß
er sich unvermittelt verabschiedete. Er meinte sein Freund, vermutlich
der Besitzer des Internetcafes, würde uns dann zurück zu dem Büro seines
Vaters bringen. Nachdem wir unseren Schriftverkehr erledigt hatten durften
wir für die Internetnutzung und den Tee genauso wenig bezahlen wie für
das Taxi mit dem wir von dem Freund unseres Helfers zurück zum Büro gebracht
wurden. Eigentlich haben wir erwartet hier wieder unseren Helfer und seinen
Vater anzutreffen, doch von ihnen war weit und breit keine Spur mehr zu
sehen. Von einem der Angestellten des Vaters wurde uns und den Mitarbeitern
des Nachbarbüros (ein Computerladen) noch ein Tee serviert. Irgendwie
haben wir gehofft, daß nochmal von unseren Helfern auftauchen würde, bei
dem wir uns für die unglaubliche Hilfe bedanken konnten. Nachdem aber
nach einer dreiviertel Stunde immer noch niemand auftauchte hinterließen
wir als Erinnerung ein Photo von uns und verabschiedeten uns. Unsere letzte Nacht verbrachten wir in einem Weizenfeld
etwa 50 Km vor Kamishli, einer Stadt direkt an der Grenze. Am nächsten
Morgen brachen wir bereits recht zeitig auf, um gegen Mittag an der Grenze
zu sein. Normalerweise ist es für uns kein riesiges Problem mehr 50 Km
am Vormittag zu radeln, insbesondere wenn es so flach ist wie in Syrien.
Doch ärgerlicherweise hatte der Wind gedreht und blies uns nun kräftig
entgegen. Nach 3 Stunden, wir hatten gerade mal 30 Km zurückgelegt, legten
wir einer größere Pause ein um uns wieder zu erholen. Wir waren gedanklich
schon dabei unseren Grenzübertritt einen Tag nach hinten zu verschieben,
als wir kurz nach 14:00 Uhr doch noch im Al Kamishli ankamen. Da Syrien
um einiges günstiger ist als die Türkei tauschten wir noch 5,-$ um damit
unsere Lebensmittelvorräte aufzufrischen. Eigentlich wollten wir noch
Milchpulver kaufen, doch nach knapp einer Stunde vergeblicher Sucherei
gaben wir entnervt auf (es gab nur die völlig überteuerten Großpackungen
von Nestle). Wir entschieden uns gerade unser restliches Vermögen in Reis,
Hum Hum (syrische Variante von Bounty), Falaffel und Eis zu investieren,
als wir erfuhren, daß die Grenze um 15:00 Uhr schließen würde (wir hatten
gerade 15:10 Uhr!!). Wir wollten trotzdem aber noch unser Glück versuchen,
beschleunigten unsere Einkäufe und erreichten gegen 15:40 Uhr den am Stadtrand
gelegenen Grenzübergang. Dort erklärten uns dann die Grenzbeamten, die
gerade dabei waren in zivil ihr Abendessen zu verzehren, daß sie erst
am nächsten Morgen um 10:00 Uhr wieder öffnen würden. Um in ein Hotel
zu gehen hatten wir kein Geld mehr und um wieder aus der Stadt zu radeln
waren wir zu erschöpft. Ein paar hundert Meter neben der Grenze lag jedoch
an einem Hang eine schöne Wiese mit einem netten kleinen Bach. Da dort
bereits mehrere syrische Familien gemütlich ihren Nachmittag verbrachten,
ließen wir uns ebenso erstmal auf der Wiese nieder (mit dem Hintergedanken
bei Einbruch der Dunkelheit dort unser Zelt aufzubauen). Wir hatten uns
gerade niedergelassen, als eine Gruppe syrischer Mädels kam und uns einlud
uns doch zu ihren Familien zu setzen. So saßen wir dann ein paar Minuten
später inmitten einer riesigen Gruppe von Frauen und Mädels, von denen
aber leider niemand englisch sprach. Kushu, eine der Mädels lebte bei
ihrem Bruder in der Schweiz und war gerade zu Besuch. Dummerweise sprach
sie aber nur französisch. Da sich unsere Französischkenntnisse aber nur
auf "ja", "nein" und "danke" beschränken redeten wir eher mit Händen und
Füßen. Nach und nach kramte Kushu jedoch noch ein paar Brocken Englisch
aus ihrem Gedächtnis, und schließlich nahmen wir die Übernachtungseinladung
von Kushu und ihrer Tante an. Damit wir nicht die ganze Strecke unsere
Fahrräder schieben mußten sprang einer der Cousins auf den Gepäckträger
des Fahrrades eines Freundes und lotste uns zu dem Haus von Kushus Tante.
Kushu und ihre Tante organisierten noch ein Wörterbuch und trafen so knapp
eine Stunde nach uns ein. Unverhofft hatten wir so die Möglichkeit uns
zu Duschen (warmes Wasser gab es aus einem großen Topf vom Gaskocher)
und unsere Wäsche zu waschen (war ein langer Kampf bis wir zumindest helfen
durften!!). Da der Mann von Kushus Tante Nachtdienst hatte, kam später
noch ihre Mutter bzw., Oma vorbei. Sehr zur Freude der kleinen Tochter
von Kushus Tante blieb die Oma als "Anstandsdame" sogar über Nacht. Am
nächsten Morgen fing es dann an stark zu regnen, so daß wir neben einem
netten Abend auch noch das Glück hatten, nicht im nassen unser Zelt abbauen
zu müssen. Leider haben wir vor lauter Aufregung ganz vergessen ein Photo
zu machen Wie schon bereits im letzten Herbst erreichten wir auch diesmal die türkische Grenze im strömenden Regen. Nachdem wir bisher bei all unseren Grenzübertritten vom Zoll durchgewunken wurden hatten wir diesmal kein Glück. Bereits auf der syrischen Grenze wollte der Zollbeamte in alle unsere Taschen schauen. Die Kontrolle unserer Ausweise wurde dann zur Chefsache. Bei einer Tasse Tee wurden unsere Personalien, vom Leiter des syrischen Grenzpostens höchstpersönlich in dessen Büro, in ein großes Buch eingetragen. Nachdem wir den ersehnten Ausreisestempel hatten kramten wir noch unsere Gummistiefel aus unseren Taschen (zusammen mit dem Regen wurde es auch wieder empfindlich kalt). Mittlerweile war dem Leiter des Grenzpostens aufgefallen, daß er keine Angabe darüber hatte, wo wir die letzte Nacht verbracht hatten und es kostete uns einige Mühe ihm zu erklären, daß wir in keinem Hotel, sondern bei einer Familie eingeladen waren. Zum Glück hatte Nadine einen Zettel mit dem Namen und der Schweizer Telefonnummer von Kushu. Was hätten die wohl gemacht wenn wir im Zelt ein paar hundert Meter neben der Grenze geschlafen hätten? Da wir zwei Reisepässe haben und unser Visum für den Iran im anderen Pass war, tauschten wir auf der türkischen Seite unsere Pässe. Ohne Probleme bekamen wir auch ohne syrischen Ausreisestempel (der war ja im anderen Pass) unseren Einreisestempel. Auch der Zoll interessierte sich nicht weiter für uns. Wir hatten den Grenzbereich fast verlassen, als wir noch von einem Militärcheckposten angehalten wurden. In dieser Gegend leben sowohl auf syrischer als auch türkischer Seite viele Kurden und vor etwa drei Wochen hatte es in Al Kamishli einige Ausschreitungen mit 70 Toten gegeben. Daher waren die Soldaten vermutlich auf der Suche nach Waffen, und so mußten auch wir zum wieder unsere Taschen öffnen. Die Soldaten kontrollierten sehr genau und da auch Nadine sich sehr viel Zeit ließ (ich war damit beschäftigt bei fast sturmartigem Wind die Fahrräder festzuhalten), hatten sie bereits nach der dritten Tasche keinen Bock mehr und ließen uns fahren. Nach knapp 4 Monaten waren wir nun wieder in der Türkei! |
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